Anderer Leute Kinder.

Der Drei- oder Vierjährige, der im Bürgerbüro mit seinem Papa auf dem Boden sitzt, weil der Wartebereich überfüllt ist. Unfassbar niedlich versucht er, die Menschen im Warteraum zu zählen, kann aber leider nur bis zehn zählen. Dann versucht er, alles was er sieht in bekannte Kategorien einzuordnen, und zeigt auf jeden Menschen: „Papa ist das ein Mann oder eine Frau?“ Als Papa ihm sagt, dass er nicht mit dem Finger auf die Leute zeigen soll, sondern ihm anders erklären soll, wen er meint (z.B. mit „mit der blauen Jacke“), zeigt er trotzdem noch, aber hält die andere Hand über den Finger.

Die Nachbarstochter, vier, die sich an meinen Beinen vorbei in die Wohnung stiehlt, nachdem ihre Mama bei uns geklingelt hat. Im März wird sie ein Geschwisterchen bekommen, erzählt die Nachbarin, während die Kleine durch die Bude rennt, als wäre es ihr Zuhause, und die vertrauten Besuchsrituale durchführt, indem sie von meinem Mann ein Glas mit Eiswürfeln fordert.

Die beiden Schwestern im Zug – eine vielleicht 7, die andere maximal 4, und natürlich wird dauerhaft gezankt, aber so süß. Die Kleine will alles genauso können wie die Große, die Große schimpft, weil die Kleine noch nicht lesen kann, so schwer sei das doch nicht, sie müsse sich doch nur merken, wie die Buchstaben aussehen.

Und ich? Ich schmunzle. Bei jeder dieser drei Begegnungen innerhalb der letzten zwei Tage stehe ich da und schmunzle, weil die Kinder niedlich sind, weil sie süße Dinge tun und sagen, weil sie in einem meiner liebsten Kindesalter sind. Und als ich mir neben dem Kind im Bürgerbüro die Beine in den Bauch stand, dachte ich tatsächlich „Ach guck ja, sowas entgeht mir jetzt natürlich auch, nicht nur die schlechten Dinge. Nun ja, so ist es wohl. Schon niedlich, diese Kleinen.“

Ich rechnete aus, dass die Nachbarin ungefähr zur gleichen Zeit schwanger geworden war, als wir unsere Kryo-Behandlung hatten. Erst jetzt, im Nachhinein, denke ich noch mal an den Bauch, den ich da gesehen habe. So hätte meiner auch aussehen können, fast zeitgleich. Wie lustig es gewesen wäre, gemeinsam schwanger zu sein! Und dann noch zwei fast genau gleichaltrige Kinder im gleichen Haus zu haben! In dem Moment kamen mir diese Gedanken gar nicht. Es war einfach nur Überraschung über die Nachricht (die Nachbarin ist schon über 40) und Freude für sie – und ein bisschen Erleichterung, diese ganzen Gedanken, die sie sich jetzt schon macht über Elternzeit etc., nicht zu haben.

Da war wirklich und wahrhaftig keine Trauer. Da war kein Zurückblinzeln von Tränen. Da war Akzeptanz, da war eine positive Sicht auf meine bzw. unsere Situation, da war ein „Ach wie schön, aber ist auch gut, das nicht die ganze Zeit zu haben“. Ich konnte nämlich aus dem Zug aussteigen und dem Geschwisterstreit entkommen. Ich konnte das Nachbarskind mit dem Eiswürfelglas freundlich verabschieden und werde in den nächsten Tagen ein leeres Glas auf der Treppe vorfinden, frischgespült. Ich war genervt im Bürgerbüro, aber musste immerhin nicht noch ein Kind bei Laune halten.

Ich glaube, ich bin angekommen.

4 Gedanken zu “Anderer Leute Kinder.

  1. Du machst mir Hoffnung….auch wenn ich jetzt noch nicht so weit bin, dass ich ohne Trauer und Frust dem Thema Kinderwunsch gegenüber stehen kann (auch wenn ich es wirklich sollte!).
    Ich hoffe, dass ich auch irgendwann ohne Tränen zurückblinzeln sagen kann: „Ich bin angekommen.“

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  2. Ich lese deinen Blog schon eine ganze Weile, auch weil ich mich in einer sehr, sehr ähnlichen Situation befinde… Du hast mir mit deinen Beiträgen immer Mut gemacht und auch Hoffnung gegeben, ich würde so gerne wieder von dir lesen und erfahren, wie es dir in der Zwischenzeit ergangen ist bzw. momentan so geht!

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